Unter dem Motto Rebsorte Gelber Orléans ist zurück! fand am Samstag 24. Juni 2023 das Symposium im Hörsaal 30 in der Hochschule Geisenheim University (HGU) statt. Alle Informationen zur Veranstaltung und das Programm können Sie hier nachlesen.
Eine gelungene Veranstaltung, die ausführlich über die (historische) Rebsorte Gelber Orléans informierte. Bei der Podiumsdiskussion gab es die eine oder andere Anekdote von Winzern zu hören. Anschließend überzeugte die Rebsorte Gelber Orléans im Glas.
Wir danken Winfried Schönbach und Hochschule Geisenheim University (HGU) für das Gruppenfoto.
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Zusammenfassungen:
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Zusammenfassung auf Grundlage einer Audio-Aufnahme; einige Stelle sind nicht oder nur schwer verständlich gewesen, daher teilweise nur zusammengefasst; einzelne Aussagen könnten auch vom Gesagten abweichen; die Mitschrift entspricht nicht der zeitlichen Abfolge. Vor einer weiteren Verwendung bitten wir um Kontaktaufnahme.
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Ernst Rühl: Die Rebsorte Gelber Orléans
Vortrag Prof. Dr. Ernst Rühl
Verein zur Förderung des Historischen Weinbaus im Rheingau e.V.
„Die Rebsorte Gelber Orléans“
zusammenfassendes Transkript von Michael A. Else
- Erste Erwähnung Orléans 1765 Vorster, Rüdesheimer Berg
- Es gibt die Legende, dass Kaiser Karl der Große die Anpflanzung des Orléans auf dem Johannisberg angeordnet habe. Das kann nicht sein, denn erst 400 Jahre später wurde dort Weinbau betrieben.
- Abgeleitet von „Aureum“ = Gold?
- Eine französische Sorte? Der Name deutet darauf hin. In der Vitis-Datenbank des JKI sind mehrere Rebbestände von Erhaltungssorten verzeichnet, davon die meisten in Deutschland, nur einer in Frankreich und sogar über 5000 Rebstöcke auf der Krim. Eine Herkunft aus Frankreich ist unwahrscheinlich.
- Dort ist auch zu sehen, dass keine Eltern und keine Kinder vermerkt sind.
- Synonym dort u.a. vermerkt: Rüdesheimer Bergtraube oder Weiße Rheingauer als Synonyme für die Rebsorte. Ein Zusammenhang mit dem Rheingau ist eher anzunehmen.
- Wesentliche Eigenschaften: späte Reife, hoher Säuregehalt, hohe Ertragssicherheit.
- Anspruchsvolle Sorte, gehört in die Spitzenlagen. Historisch belegt Rüdesheimer Berg, aber auch Nierenstein Roter Hang und im Mischsatz.
- Genusszweck stand im Mittelalter bis in die frühe Neuzeit nicht im Vordergrund. Hygienische Aspekte. Wasser und Wein gemischt getrunken, um Magen-/Darmproblemen vorzubeugen.
- Schon bei den Römern und Griechen üblich.
- Sichere und gute Ausbeute im Vordergrund, auch um Trinkwasser zu haben.
- Im Laufe der Zeit Desinfektionswirkung des Weins nicht mehr so wichtig, Hygiene wurde besser, daher auch geringere Bedeutung des Weins, Wein wurde zum Vergnügen getrunken.
- Auch Wegfall des Zehntrechtes der Bauern, Menge wurde weniger wichtig, dafür Qualität.
- Die Aufmerksamkeit verlagerte sich auf Geschmack und Qualität.
- Qualität wird immer teurer, Massensorten nehmen ab. Betroffen sind u.a. Sorten wie Putzscheere oder Heunisch, andere Sorten wie Elbling oder Gutedel beschränken sich auf kleine Regionen. Dazu gehörte auch der Orleans.
- Historische Quellen: Vorster 1765, am Hauptberge in Rüdesheim; Bronner, in den wichtigsten, besten Lagen Rüdesheims, Riesling nur in schlechteren Lagen. 1871 noch 17,5 ha = 10 % der Rüdesheimer Rebfläche, gut zehn Jahre später 7,5 ha, um 1950 letzte Kleinterrasse gerodet.
- Ein Stock wurde dabei vergessen, dieser wurde bei einem Projekt der Hochschule Geisenheim gefunden. Der Standort wird jedoch geheim gehalten, die Rebe wird vom Präsidenten der HS Geisenheim persönlich gepflegt.
- Damit war der Orléans aus dem Anbau verschwunden. Nur noch knapp 30 Rebstöcke in den Sortimenten deutscher Züchter.
- (Kurzfassung) Bekannte Geschichte mit der Weinversteigerung des Klosters Eberbach, Ersteigerung durch die Gebrüder Breuer, zwei Flaschen Orléans aus dem Rüdesheimer Berg damals hoher Preis, hat Aufmerksamkeit erregt, sind an Rebzüchtung — damals Dr. Becker — im Sortiment noch sechs Stock weißer Orléans, drei Stock grüner Orléans — wobei dies vermutlich die gleiche Sorte ist, je nach Ansichtssache — in Vermehrung gegangen, 1994 die ersten 400 Stock wieder im Rüdesheimer Berg angebaut worden. Seitdem wird Orléans wieder angebaut.
- Das Weingut Knipser hat etwa zur gleichen Zeit in Laumersheim in der Pfalz etwas Ähnliches gemacht.
- Wie geht es weiter?
- Der Klimawandel müsste der Sorte eigentlich in die Karten spielen. Früher hatte der Orléans Reifeprobleme, heute hat der Riesling Reifeprobleme. Er reift zu früh. Wenn früher der Riesling Anfang November geerntet wurde und der Orléans erst kurz vor Weihnachten, dann war die Reife ein Problem. Heute würde es passen, der Orléans hat mehr Zeit zur Reife.
- Die hohen klimatischen Ansprüche, die ihn früher eher hinauskatapultiert haben, würden ihn heute wieder hineinbringen.
- Natürlich hat er auch Konkurrenz, Stichwort Piwi. Wir werden im Anbau mehr pilztolerante Sorten sehen, aber sie werden die traditionellen Sorten nicht verdrängen. Sie werden sich ergänzen.
- Ich hoffe, dass ich mit dieser Veranstaltung heute auch dazu beitragen kann, dass sich der Orléans eine kleine Nische erobert.
Zusammenfassung
- Sorte aus dem Mittelalter bzw. der frühen Neuzeit.
- Über Herkunft und Abstammung der Sorte ist wenig bis nichts bekannt.
- Die Sorte hat hohe Lageransprüche, eigentlich eine Sorte für die besten Lagen in Deutschland.
- Verschwand Ende des 19. Jahrhunderts mit dem großen Sortenumschwung.
- Für 50 Jahre praktisch verschwunden. Seit den 1990er Jahren (den Jahren, in denen es wieder wärmer wurde) wieder im Anbau.
- 2013 Aufnahme in die Arche des Geschmacks von slow food Deutschland (Voraussetzung ist eine gewisse Marktrelevanz, die Sorte muss auch käuflich zu erwerben sein).
- Der gelbe Orléans ist zurück. Man kann wieder Geschichte schmecken.
Franco Röckel: Die Bedeutung traditioneller Rebsorten und ihre Erhaltung
Vortrag Dr. Franco Röckel
Julius-Kühn-Institut, Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof, Siebeldingen
„Die Bedeutung traditioneller Rebsorten und ihre Erhaltung“
zusammenfassendes Transkript von Michael A. Else
im Schwerpunkt auf Aussagen zu Gelber Orleans
- Woher kommen unsere Reben, wie sind sie entstanden, wann? Eine Darstellung der Verbreitungswege; Ursprung aller wahrscheinlich Transkaukasien (Georgien, Armenien, Aserbaidschan, auch Westtürkei); ein mögliches Ursprungsgebiet unserer Wildreben, bisher konnte dies nur vermutet werden.
- Nach neueren Forschungen geht man davon aus, dass es wahrscheinlich zwei getrennte Domestikationsereignisse gab für Kelter- und Weinreben, diese sich entsprechend getrennt auf zwei Wegen ausgebreitet haben; die Keltertrauben etwas südlicher über den östlichen Mittelmeerrand, Syrien, Libanon.
- (Näher hierzu im Artikel — Neue internationale Studie zur Domestizierung und Evolution der Weinrebe (externer Link : geschichte-des-weines.de), von Franco Röckel, Oliver Trapp, Reinhard Töpfer und Erika Maul)
- Bisherige Annahme: Verbreitung in den letzten 5–8000 Jahren, wahrscheinlich aber begann die Domestikation (Nutzbarmachung) unmittelbar nach der letzten Eiszeit mit der Sesshaftwerdung des Menschen vor 22.000 Jahren (?).
- Im Laufe der Jahrtausende wanderten diese Reben über Südeuropa nach Westen und mit Hilfe der Römer auch zu uns.
- Wir sprechen aber nicht nur von „Importware“, viele Reben sind auch bei uns entstanden.
- „Die schönen Reben aus dem Römischen Reich werden, wenn man sie in nördliche Gegenden pflanzt, nicht reif oder haben mit Bitterstoffen zu kämpfen.“ (Überlieferung) Erkenntnis, dass nicht alle Reben überall gepflanzt werden können.
- Deshalb kreuzte man diese südlichen Reben mit den vorhandenen nördlichen Reben, um klimaverträglichere Reben zu erhalten.
- Genau das machen wir heute in der Züchtung. Man wählt die besten Rebsorten aus. Man greift also im Grunde auf den Genpool der im Westen und Osten entstandenen Reben sowie auf die vor Ort entstandenen zurück.
- Das letzte große Vorkommen der europäischen Wildrebe in Deutschland befindet sich auf einer Insel bei Speyer, der Insel Ketsch. Dort wachsen sie ursprünglich als Lianen. Sie wachsen dünn am Baum empor und werden mit den Jahren immer dicker. Fällt der Baum, so fällt die Weinrebe mit. Am Boden bilden sich Wurzeln, mit denen sie an anderen Bäumen weiterwachsen können.
(zu Rückkreuzungen)
- Aber auch auf der Insel wurden erste Kreuzungen gefunden. Der Pollen der Reben muss also mehrere Kilometer geflogen sein und sich auf der Insel mit den Wildreben gekreuzt haben. Schon eine einzige Kreuzung führt zu deutlich größeren Trauben.
(…)
- Um 1850 kam es zu einem starken Rückgang der Vielfalt. Bei den Wildreben, aber auch bei den Kulturreben. Das hat auch mit Flächenverbrauch und Rebkrankheiten und Schädlingen zu tun, weniger Anbau im Mischsatz.
- Vor einigen Jahrzehnten hat man begonnen, Erhaltungsaktivitäten zu entwickeln. Nicht nur in Deutschland, sondern europaweit.
(…)
- Erhaltungsinitiativen sind wichtig, weil nur die Erhaltung „on farm“ die notwendige Sicherheit bietet. Reben sind in der Anwendung immer am besten aufgehoben. Es gibt auch einen speziellen Bereich in der Datenbank (Deutsche Genbank Reben), in dem recherchiert werden kann, wer welche Rebenbestände erhält. Betriebe sind herzlich eingeladen, ihre Bestände zu melden und sich dort einzutragen. Die Datenbank soll auch dem Erfahrungsaustausch dienen (On-Farm Register).
(…)
- Die Züchtungsinstitute können im kleinen Maßstab nicht die Qualitäten erreichen, die auf den Betrieben möglich sind. (…) (gemeint ist hier die Weinbereitung an sich) Die meisten Rebsorten des Sortiments wurden in der Vergangenheit in gemischten Sätzen angebaut. Ein Einzelausbau ist bei vielen Sorten noch nie erfolgt, man weiß nicht, wie die Sorten schmecken. Dies und die Arbeit an der Qualität können nur Betriebe leisten, die Sorten in den Anbau nehmen.
Kai Voss-Fels: Die genetische Vielfalt von Rebsorten – Bedeutung und Nutzung
Vortrag Prof. Dr. Kai Voss-Fels
Hochschule Geisenheim University, Institut für Rebenzüchtung
„Die genetische Vielfalt von Rebsorten – Bedeutung und Nutzung“
zusammenfassendes Transkript von Michael A. Else
im Schwerpunkt auf Aussagen zu Gelber Orleans
(…)
- Erläuterungen zum Klimawandel und dessen Auswirkungen auf den Weinbau, u.a. durch Erhöhung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre, vor allem aber durch Wassermangel; global und regional.
-> Grafik: Anstieg der Durchschnittstemperaturen
// Anmerkung: Interessant ist, dass ausgerechnet 1921 ein etwas wärmeres Jahr war. Aus diesem Jahr stammen auch die beiden Auktionsweine von Orléans //
- In den letzten 20/30 Jahren hat die Anzahl der überdurchschnittlich warmen Jahre deutlich zugenommen.
- Wie kann dem aus züchterischer Sicht begegnet werden?
-> Grafik: Wie wirkt sich ein drastischer Temperaturanstieg auf die Weinbaugebiete der Welt aus?
- Das Optimum verschiebt sich nordwärts. Die Region mit optimalen Bedingungen wird kleiner. Das bedeutet nicht, dass ganze Weinbaugebiete vernichtet werden. Aber es wird deutliche Auswirkungen auf die traditionell angebauten Rebsorten haben. Erhöhter Krankheitsdruck im Weinbau. Sicher auch durch neue Krankheiten. Auch solche, die wir heute vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm haben.
- Aber das größte Thema ist und bleibt die zukünftige Wasserknappheit.
- Was macht das mit dem Sortenspektrum? Wird es dem Riesling zu warm? Wie verändert sich die Qualität? Ist er dann überhaupt noch für eine Region vermarktbar? Viele Herausforderungen.
- Züchtung ist letztlich auch eine Antwort auf die Erwartungen der Branche, Klimawandel, Nachhaltigkeit, Reduzierung des Pflanzenschutzes.
- Er versteht Züchtung als Produktentwicklung. Am Ende eines Prozesses muss immer ein Produkt stehen. Was haben wir? Wo wollen wir hin? Wie machen wir das?
(…)
- Züchtung braucht immer Variation, deshalb ist die genetische Vielfalt wichtig. Wenn wir die Merkmale nicht im Genpool finden, können wir sie auch nicht selektieren. Es geht immer um Selektion, zuverlässig und schnell. Sorten mit erkanntem Mehrwert müssen dann auch erhalten werden, über viele Jahre, sogar Jahrhunderte. Historische Rebsorten spielen daher eine wichtige Rolle.
- Rebenzüchtung ist immer komplex. Es geht immer um zwei Reben, die Unterlage und das Edelreis. Zuchtziel ist immer Unterlage oder Edelreis oder beides zusammen.
- (kurz) Sorte Fidelio und ihre Züchtungsgeschichte; deutlich: es dauert ewig, noch aus der Zeit von Dr. Becker und über die ganze Zeit von Ernst Rühl.
- (Darstellung der traditionellen Züchtung) mindestens 25 Jahre; Selektion ist Wegwerfen, zu 99,9% wird aussortiert, um am Ende vielleicht eine Sorte zu haben, die dann zur Anmeldung kommt. Problem hier Zeit. Darstellung, wie heute vorgegangen wird. Genomische Werkzeuge. Molekularbiologische Werkzeuge. Sequenzierung. Erbgut erkennen und auswerten. Merkmale sortieren und selektieren).
(…)
Über Gelber Orleans:
Aus züchterischer Sicht interessant. Nüchterne Betrachtung: Welche Sorte bringt Eigenschaften mit, die uns interessieren und die den Weinbau voranbringen können? Gelber Orleans gehört dazu.
Spätreifend, hartschalig, stabiler Ertrag, schöne Säure.
In 2023 Kreuzungsaktivität mit Piwis; derzeit drei Projekte, darunter Gelber Orléans.
x Traminer
x Rote Piwi
Ziel: Spätreifende Sorte mit sehr guter Krankheitsresistenz, ertragsstabil und gut säurebetont.
Zuversichtlich für die Zukunft:
- Wenn wir gute Daten generieren und diese sequenzieren, gute Eigenschaften erkennen und diese Eigenschaften in die Richtung verschieben können, die von der Branche und der Landwirtschaft gewünscht wird.
- Reben haben einen unglaublich großen Genpool. Bisher haben wir nur einen sehr, sehr kleinen Teil davon genutzt.
- Mit modernen Mitteln hat der traditionelle Prozess der Rebenzüchtung eine enorme Beschleunigung erfahren, neue Sorten können viel schneller entwickelt werden. Die Kosten sind deutlich gesunken.
- Züchtung ist ein Schlüssel für die Zukunft, für Klimawandel und Nachhaltigkeit.
Podiumsdiskussion: Erfahrungen mit dem Anbau der Rebsorte Gelber Orléans
Podiumsdiskussio: Erfahrungen von Winzern_innen mit dem Anbau der Rebsorte Gelber Orléans
zusammenfassendes Transkript von Michael A. Else
Moderation: Prof. Dr. Leo Gros
Teilnehmer:
Herbert Koch (Weingut Abthof), Michael Schönleber (Weingut Josef Schönleber), Martin Steinmann (Weingut Schloss Sommerhausen), Theo Gehring (Weingut Gehring), Werner Knipser (Weingut Knipser); Thomas Riedl
Herbert Koch
Weingut Abthof aus Hahnheim, Hahnheimer Hof, historische Verbindung zu Kloster Eberbach und damit auch zu Orléans. Ehemaliger Wirtschaftshof. Bei Neuanlage 2007(?) für die Sorte entschieden. In 2016 eine weitere Anlage in gleicher Lage. Sind vom Erfolg der Sorte überzeugt, man müsse aber kontinuierlich daran arbeiten.
// Schlecht hörbar
Die Wüchsigkeit und der Ertrag sind erstaunlich. Besucher halten die Trauben immer für Tafeltrauben. Ertragsreduzierung ist ein Muss. In trockenen Jahren ist der Wuchs etwas schwächer und lässt zu wünschen übrig. Je mehr Wasser, desto stärker der Wuchs, desto höher der Ertrag. Das Wasser könne man mit guter Humusarbeit oder Bodenbegrünung regulieren, lange stehen lassen. Ohne Ertragsreduzierung könne arbeite der Betrieb nicht, in keinem Jahr.
Schwere Kalk-Merkelböden. Mal erntet er vor dem Riesling, mal nach dem Riesling. Mit der niedrigen Säure habe er weniger zu tun. (Wenn die niedrig sei, habe man einen guten Grundwein (Sekt). Mit der Ertragsreduzierung könne man auch die Reife steuern. Wenn man mehr reduziere, bekomme man eher vollreife Trauben. Wenn man nicht reduziere, könne man auch bei 65° Oechsle landen. Das sei Handarbeit. Manche Trauben lasse er länger am Stock, andere nehme er schon vorher — egal, was er damit mache.
Etwa einen halben Hektar hat er von der Sorte im Anbau. So habe man auch die Möglichkeit, etwas auszuprobieren. Auch beim Ausbau. Mal im Edelstahltank mit kontrollierter Gärung. Wir haben nicht nur einen Stil, wir probieren Dinge aus.
Der Wein ist sehr zugänglich, gerade auch für jemanden, der nicht an sehr aromatische Weine gewöhnt ist. Das Säurespiel macht den Wein auch etwas lebendiger. Gerade im Vergleich zu einem Grauburgunder oder einem Weißburgunder.
Michael Schönleber
Weingut Josef Schönleber aus Oestrich-Winkel. Aufmerksam geworden durch die Rebsortentage der Forschungsanstalt Geisenheim. Immer mal wieder probiert. Wollte auch dem Klimawandel etwas entgegensetzen. Eine Sorte, die später reift. Es muss nicht immer eine Rebsorte aus Südeuropa sein. Knapp 900 Quadratmeter angepflanzt. Jahrgang 2015. Er erinnert sich, dass während seiner Lehrzeit bei den Staatsweingütern die Sorte noch in der Versteigerung war (vor der Geschichte mit Breuers).
In manchen Jahren kann eine zusätzliche Behandlung gegen Echten Mehltau sinnvoll sein. Die Beeren neigen nicht dazu, weich zu werden, können aber ebenso faulen wie andere auch. Die große Reifeverzögerung, von der immer die Rede ist, sieht er nicht. Auch er macht eine Ertragsreduktion. Und dann wird die Sorte richtig reif. In Jahren wie 2017 oder 2021, wenn es etwas kälter sei, könne man Probleme mit der Reife bekommen. 2021 habe er auch keine Ertragsbegrenzung gemacht. Wenn man die Trauben teilt, wird er auch vom Mostgewicht her richtig süß. Und Säure hat der Orléans auch nicht mehr, sondern eher weniger als der Riesling; nur in unreifen Jahrgängen liegt die Säure höher. Weniger Weinsäure, mehr Äpfelsäure. Wenn er reif wird, kann die Äpfelsäure eher stark reduziert werden, die Gesamtsäure ist dann niedrig. In manchen Jahren muss sogar mehr gesäuert werden (2019). Im Jahr 2022 war er säureärmer als der Riesling. Auch die Reifeverzögerung war nicht so groß wie erwartet.
(Leo Gros)
Was man immer liest von viel Säure und später Reife, steht auch in Büchern, die sich auf frühere Jahre beziehen. Das stimmt jetzt vielleicht nicht mehr.
(Schönleber)
Hatte noch keine Probleme mit Wassermangel, was auch an der Lage liegt. Die Aussagen kann er so nicht bestätigen.
Rebenzüchter Staab damals: „Was willst du mit den Klickern?“ – Klicker bedeutet im Rheingau „Murmeln“, also die harten Glasperlen, mit denen Kinder spielen. Damit wollte Herr Staab auf die harten und unreifen Beeren der Sorte hinweisen.
Bei ihm keine Maischestandzeit. Durch die Traubenmühle und dann direkt gepresst. In den Jahren ohne Handlese mit Vollernter. Hier aber beobachtet, dass einige Beeren durch die Presse teilweise nicht ausgepresst werden konnten. Daher wird er in Zukunft bei Nutzung des Vollernters vor dem Pressen die Trauben über die Traubenmühle in die Kelter geben. Kein besonderer Ausbau. Der Most wird mit Enzym vorgeklärt, der geklärte (sedimentierte) Most abgezogen, der Mosttrub filtriert; der Wein wird nach der Gärung nach dem Vollhefelager Ende Dezember abgestochen und filtriert, im Frühjahr gefüllt.
Etwas neutralerer Wein, aber auch jung sehr zugänglich. In unreifen Jahrgängen eher automatisch nach Quitten, in reifen Jahrgängen eher aromatisch nach Äpfeln. Sehr leicht zu trinken, ohne dass man ihn erklären muss. Wenn jetzt zum Beispiel jemand nur einen Weißwein möchte, bekommt er immer einen Orléans angeboten, in der Regel wird der dann auch gekauft. Die Sorte spielt überhaupt keine Rolle.
Fazit: Die Sorte ist nicht nur gut. Sie könne ebenso faulen wie andere Rebsorten auch, die Sorte könne auch Säure verlieren. Die Erwartungen, die eigentlich in Bezug auf den Klimawandel hatte, seien etwas enttäuscht worden. Auch die spätere Reife sei nicht sicher. Man dürfe also nicht zu viel erwarten.
Martin Steinmann
Weingut Schloss Sommerhausen, Franken. Genetisch etwas vorbelastet, Eltern hatten einen Rebzuchtbetrieb, Vater war Erhaltungszüchter. Die Rebsortenvielfalt ist dann auch bei ihm hängen geblieben. Beim Gelben Orleans die Frage, wo geht die Reise hin? Wir wollen in Franken ein Weißweingut bleiben. Keine Lust Syrah oder (…) zu pflanzen. Man muss schauen, was gibt es, wenn das Klima schon mal wärmer war. Da kam ihm der Name Gelber Orléans in den Sinn. Sein Vater riet ihm davon ab, in Franken würde er nicht reifen. Zum Glück habe er nicht auf seinen Vater gehört. Das habe seinen Ehrgeiz geweckt.
Der Orléans sei im Weinberg unkompliziert. Wächst normal, aufrecht, Laubarbeit kein Problem, Fruchtarbeit hoch. Ertragsreduktion auch bei ihm. Hat auch schon mal eine Spätlese gebracht, bei absoluter Vollreife und 13 % Alkohol. Aber eigentlich wollen sie etwas Leichtes, etwas Belebendes, etwas Elegantes. Er verwendet den Orléans auch für die Sektcuvée. Die großen Trauben brauchen eben auch viel Wasser. Er lebe in einer trockenen Gegend, der Weinberg liege in einer sonnigen Lage. Die Ertragsreduzierung ist ein Muss. Spektakulär sind eigentlich nur die Trauben. Als Teil einer Sektcuée lese er den Orléans natürlich früher, der Silvaner habe um die 80° Oechsle, der Orléans dann 85° Oechsle. Dazwischen sind immer ein paar Tage. Er nehme ihn aber auch gerne mal etwas früher mit vielleicht nur 75° Öchsle für einen leichten Wein (Sekt).
// schlecht hörbar
Eine lange Fassreife auf der Hefe tue dem Wein sehr gut. Ob er mit viel oder wenig Säure gelesen werde, mache für ihn keinen Unterschied. Die Säure werde über die Jahre besser eingebunden und komme der Aromatik zugute. Das habe er gut beobachten können, zum Beispiel bei einem 2015er Wein, der in seinem Betrieb immer eine lange Flaschenreife hatte und vorher sehr reduziert wurde. Den 2019er könne man gerne dekantieren. Einmal belüften. (Nachfrage) Gegebenenfalls brauchen die Weine ein bisschen Nährstoff bei der Gärung (…) er verzichtet aber auf die Gabe von Nährsalzen, das macht bei ihm die Zeit. Vielleicht eine Besonderheit der Sorte, wie er beobachtet hat. Langer, langsamer Ausbau.
Das Aroma verhalte sich wie beim Silvaner. Er achte immer darauf, die Aromatik der Trauben vom Weinberg in den Keller zu bringen. Die Sorte sei auch alles andere als neutral. Da sei sehr viel Aromatik in den Trauben. Beim Orléans sei das ähnlich. Die Traube im Weinberg erinnere an gelbe Früchte, Mirabelle, Melone, Quitte. Eine ganz eigene Aromatik, die er in die Flasche bringt. Animierende Restsäure. Auch in kühleren Jahren sei das für ihn kein Problem gewesen. Die Säure habe eigentlich immer gepasst.
Theo Gehring
Weingut Gehring, Nierstein. Winzer aus Rheinhessen. Fand die Sorte faszinierend. Beobachtet dort den Roten Hang. Der Riesling wird dort in den letzten Jahrzehnten immer früher reif. Karge, trockene Böden dort. Nachdem er auf die Sorte aufmerksam geworden war, stellte er mit Erstaunen fest, dass neben dem Rüdesheimer Berg auch der Rote Hang eine historische Lage für die Sorte Gelber Orleans ist. So lag es nahe, auch am Roten Hang einen Orléans zu versuchen.
// Schlecht hörbar
Ihm geht es weniger um den Ertrag, sondern darum, das Terroir schmeckbar zu machen: Wie schmeckt der Rote Hang? Wir sehen den Orléans in der Schiene Terroir. Die Rebsorte ist geschmacklich relativ neutral. Er traut sich kaum zu sagen, aber für ihn geht die Rebsorte in Richtung Silvaner. (…) Wenn er nicht reduziert wird, wird es schwierig. Wir machen auch eine Vorlese. Was andere beim Riesling machen, macht er beim Orléans. Er will das Terroir schmecken. (…) Die Säure werde auf heißen, trockenen Böden heruntergekocht. (…) Aus den unreifen (ertragsreduzierten) Trauben macht er auch einen Verjus.
// kaum hörbar
Früher hat man auch keine trockenen Weine gemacht, sondern nur Spätlesen. Erfahrungen mit trocken ausgebautem Orleans von früher habe man nicht. Ausbau im Edelstahl eher wegen der Aromatik, auch um die Aromen und den Wein erst einmal erleben zu können. Keltern erfordert auch bei ihm mindestens 24 Stunden Maischestandzeit. Entrappt, schonend gepresst. Kann sich durchaus vorstellen, später ganze Trauben mit zu verarbeiten, um die Phenolik in den Wein zu bekommen. Auch um später vielleicht einen Ausbau im Holz etwas zu unterstützen. Jetzt will er erst einmal die Traube kennen lernen. Was will vor allem auch der Konsument?
Werner Knipser
// schlecht hörbar
Weingut Knipser, Laumersheim in der Pfalz. Erzählt die Geschichte von den sauren Trauben am Rande des Weinbergs, um Traubendiebe abzuschrecken.
Es ist unmöglich, die Trauben sofort zu pressen. Die Traubenhaut ist so dick, dass man sie erst über Nacht mazerieren muss, bevor man überhaupt ans Keltern denken kann. Sie werden nicht entrappt.
(Leo Gros)
Wie lässt sich der Orléans beschreiben?
Der Orléans ist wie ein Silvaner mit Säure. 2003: 6 Promille Mostsäure. Gutes Alterungspotential, das höchstens vom Riesling übertroffen wird. 1989 hat er die ersten Reben gepflanzt (…) der 96er ist ein Riesenwein. Die Rebe sei normal, aber ohne Besonderheiten. Das Argument der späten Reife sei für ihn in der Pfalz ohnehin keines. Wenn die Jahre jetzt alle warm sind, dann wird es Zeit, etwas Spätreiferes zu pflanzen.
Besonders interessant seien die Mineralstoffe, das mache (für ihn) die Besonderheit aus. Ansonsten schmeckt er einfach nach Wein.
Zukunft der Sorte? Etwas skeptisch. Baut die Sorte schon lange an und wird von den Kollegen eigentlich nur skeptisch beäugt. Hat bis jetzt niemanden überzeugen können, es ihm nachzumachen.
Thomas Riedl
Hat beruflich nichts mit Wein zu tun, sondern ist Psychiatriefachpfleger. Seit 2006 in privaten Weinverkostungsrunden aktiv, ist er dort der “Freak”, der sich für historische Rebsorten interessiert. Artikel in Fachzeitschriften hatten anfangs sein Interesse geweckt. Er wollte eine Probe zum Thema organisieren, fand aber im Internet kaum etwas über die Sorten, geschweige denn Bezugsquellen. Es dauerte 2 Jahre, bis er 2009 erstmals eine Probe zusammenstellen konnte. Bei der Recherche hat er viele Expert*innen kontaktiert und viel gelesen. Über das Netzwerken wurde er dann zu Veranstaltungen eingeladen, auf denen er zu seltenen historischen Rebsorten aus Konsumentensicht referierte.
Die Recherchen wurden von ihm über die Jahre immer wieder zusammengefasst, so dass Stück für Stück ein Dokument entstand: Das Kompendium der deutschen Weine aus seltenen historischen Rebsorten und ihrer Erzeuger*innen. Es handelt sich um die umfangreichste und detaillierteste Datensammlung zum Thema. Sie enthält vor allem eine Zusammenstellung mehrerer hundert käuflicher Weine.
Den ersten Orléans probierte Thomas Riedl 2009 vom Weingut Breuer. Und natürlich vom Weingut Knipser, das über die Jahre die breiteste Varianz erzeugte, vom QbA aus dem Stahltank über Orléans aus dem Barrique bis zum Eiswein. Er fände es aber völlig vermessen zu sagen, welcher der Beste ist. Dafür seien die vorhandenen Weine zu unterschiedlich und kämen ja auch von unterschiedlichen Böden. Zielführender findet er die Frage, welches Potenzial die Rebsorte hat. Er findet, dass die Qualität der Weine aus Gelbem Orléans seit 2009 deutlich besser geworden ist. Es gäbe auch mehr Produzenten und mehr Vielfalt, inzwischen erfreulicherweise auch Winzersekt.
Leider sei es aber immer noch schwer, Fachleute, Journalisten und Weinliebhaber*innen zur Teilnahme an Vergleichsproben seltener historischer Rebsorten zu motivieren. Außerdem seien gereifte Jahrgänge noch nicht verfügbar. Dennoch versucht Thomas Riedl aktuell, eine solche Probe zu organisieren.
Präsentationen
Präsentationen und Folien
Mit Einverständnis der Referenten können wir Ihnen Präsentationen der Vorträge zur Verfügung stellen. Bitte beachten Sie unbedingt, dass die Urheberrechte bei den Vortragenden und deren Institutionen verbleiben. Eine Verwendung steht unter dem Vorbehalt der Nennung von Urheber und Quelle. Zudem wird bei Verwendung um Hinweis an uns gebeten.
Die Bedeutung traditioneller Rebsorten und ihre Erhaltung
Franco Röckel und Erika Maul
Wer noch mehr Informationen haben möchte:
Lesen Sie einen Beitrag von Michael A. Else, unserem Stellvertretenden Vorsitzenden, im Weinletter von Thilo Knott: #61 Das Geheimnis des Gelben Orleans
Natürlich wird der Rebsorte Gelber Orleans auch auf der Weinhistorischen Plattform KuLaDig ein eigener Artikel gewidmet.
Wer lieber hört & lauscht sei auf den Genusstalk-Podcast von Johannes Quirin, auf die Folge Genuss alter Rebsorten im Rheingau mit Michael Else verwiesen.
Pressestimmen:
Slow Food Rheingau setzt sich für Gelben Orléans ein (Wiesbadener Kurier vom 27. Juni 2023)
„Trinken, was man retten will“ / Comeback für Gelben Orléans? (Rheingau Echo vom 29. Juni 2023)
Rebsorte Gelber Orleans: Späte Reife, hohe Säure, gute Erträge (F.A.Z. vom 20. August 2023)
“Trinken, was man retten will” — Bezugsquellen:
Eine Übersicht über Wein und Sekt der Weingüter aus der Verkostung sowie weiterer Erzeuger haben wir auf einer eigenen Seite zusammengestellt: “Wein und Sekt der Rebsorte Gelber Orléans”
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Rathkes satirische Randnotizen
Der Gelbe Orléans
(Entdeckung auf dem Rüdesheimer Berg)
Es wuchs einmal ein toller Wein
im „Rüdesheimer Berg“ am Rhein.
Der hatte zwar noch keinen Namen.
doch tranken ihn verliebte Damen,
weil er geschmacklich wunderbar
und stark erotisierend war.
Davon träumte oft nächtelang
ein Jungfräulein aus Orléans,
die mit den Engländern im Krieg
einst losstürmte, von Sieg zu Sieg.
Sie half dem damals sehr beliebten
neuen König, Karl dem Siebten.
Johanna fuhr nämlich zum Rhein
und kaufte sehr viel Wein dort ein,
wo‘s autochthone Reben gab,
deren Saft ein wahres Lab,
doch deren Namen unbekannt,
obgleich geschmacklich süffisant.
Vom gelben Wein hat sie per Fracht
manch Faß nach Orléans gebracht.
Ihre Armee hat viel gezecht,
jeder schluckte wie ein Specht.
Dann griff die Truppe, Mann für Mann.
Die englischen Besatzer an.
Bis dahin trugen die Franzosen
auf dem Schlachtfeld „Tote Hosen“.
Kaum war der Rheinwein trinkbereit,
schon wurde Orléans befreit.
Die bösen Briten mußten weichen.
Johanna machte sie zu Leichen.
Nie hätte Karl darauf gewettet
daß die Johanna ihn gerettet.
Der König wurd‘ in Reims gekrönt,
und mit Johannas Trank verwöhnt.
Der Wein vom Rhein wirkte wie Wunder,
ganz Frankreich wurde wieder munter.
Johanna hat man’s nicht gedankt.
Als „Hexe“ wurde sie belangt.
Ihr Prozeß ist blöd gelaufen.
Sie starb auf einem Scheiterhaufen.
Doch blieb dann, wie es sich geziemt,
ihr Weinimport bis heut berühmt.
Die Rebsorte wurd‘ wie bekannt,
drum „Gelber Orléans“ genannt.
Hier tat man ihn heute schnurstracks
in die „Arche des Geschmacks,“
will retten diese edle Rebe,
die’s ohne die Jeanne d’Arc nicht gäbe.
Der Schiller fand den Wein zu trocken,
ihm krümmten sich die Schillerlocken.
Er rief in Weimar unter Tränen:
„Da werden Weiber zu Hyänen !“
Doch zog‘s auch ihn nach Orléans
im dichterischen Überschwang.
Selbst Slowfood International
beschwor die Rettung pastoral.
Der Hochschule in Geisenheim
schick ich heute verpackt als Reim
und als Erklärung die Geschichte,
weil ich gern trinke, und dann dichte.
Dr. Winfried Rathke, Geisenheim
www.winfried-rathke.de